Netzentgelte als politische Waffe gegen die Energiewende? - Energiewende Tipps
Wie die aktuelle Politik Deutschland den Ausbau erneuerbarer Energien systematisch ausbremst Eine Analyse der strukturellen und bewusst politischen Mechanismen, mit denen Netzentgelte zur Bremse der Energiewende genutzt werden. Die deutsche Energiepolitik steht vor einem Paradoxon: Während öffentlich die Energiewende propagiert wird, zeigt eine detaillierte Analyse der Netzentgelt-Struktur das genaue Gegenteil. Netzentgelte werden nicht nur zur Kostendeckung eingesetzt, sondern systematisch als politisches Instrument zur Steuerung – und Bremsung – des Ausbaus erneuerbarer Energien genutzt. Die Belege sind eindeutig und reichen von historischen Präzedenzfällen bis hin zu aktuellen politischen Strategien. Die „Sonnensteuer“: Ein historischer Beleg für politische Manipulation Der deutlichste Beweis für den bewussten Missbrauch von Netzentgelten zur Bremsung erneuerbarer Energien liegt in der jüngeren Vergangenheit: die sogenannte „Sonnensteuer“ von 2014 bis 2022. Diese EEG-Umlage auf selbstverbrauchten Solarstrom war ein gezielter politischer Angriff auf die dezentrale Energiewende. Die Fakten zur Sonnensteuer Von August 2014 bis Juli 2022 führte die Große Koalition eine EEG-Umlage auf selbstverbrauchten Solarstrom ein – eine Maßnahme, die in der Branche als „Sonnensteuer“ bekannt wurde. Diese Politik war kein unbeabsichtigter Nebeneffekt, sondern ein bewusster Versuch, den PV-Ausbau zu bremsen. Die damaligen Reaktionen sprechen eine deutliche Sprache: Erst die EU-Erneuerbare-Energien-Richtlinie von 2018 setzte diesem Treiben ein Ende, indem sie solche „diskriminierende Vorgaben, unverhältnismäßige bürokratische Hindernisse oder Abgaben und Umlagen“ für unzulässig erklärte. Deutschland musste seine Politik ändern – nicht aus Einsicht, sondern durch europäischen Zwang. Strukturelle Benachteiligung: Das System der doppelten Standards Die Sonnensteuer war kein Einzelfall, sondern Teil eines systematischen Problems. Die aktuelle Netzentgelt-Struktur benachteiligt erneuerbare Energien auf mehreren Ebenen – während fossile Kraftwerke privilegiert behandelt werden. Fossile Kraftwerke: Kostenloser Netzzugang als Dauersubvention Der wohl skandalöseste Aspekt der deutschen Netzentgelt-Politik ist die kostenlose Netznutzung für fossile Kraftwerke. Kohle-, Gas- und früher auch Atomkraftwerke zahlen prinzipiell keine Netzentgelte für die Einspeisung ihrer Energie. Diese Regelung ist nicht nur klimapolitisch kontraproduktiv, sondern stellt eine massive versteckte Subvention dar. Gleichzeitig sollen erneuerbare Energien künftig mit Netzentgelten, Grundentgelten oder Kapazitätspreisen belastet werden. Diese „Schieflage konterkariert jede glaubwürdige Klimapolitik“, wie Kritiker zu Recht anmerken. Die Speicher-Diskriminierung: Doppelte Belastung für die Energiewende Ein weiteres Beispiel für die systematische Benachteiligung zeigt sich bei Energiespeichern. Während stationäre Speicher von Netzentgelten befreit sind, müssen mobile Speicher – also Elektrofahrzeuge beim bidirektionalen Laden – doppelte Netzentgelte zahlen: einmal beim Laden und erneut beim Rückspeisen ins Netz. Diese Regelung ist nicht nur technisch unsinnig, sondern verhindert (gewollt?) gezielt die Entwicklung von Vehicle-to-Grid-Anwendungen (V2G), die für die Energiewende essentiell sind. Während andere EU-Länder wie Frankreich bereits dreijährige Ausnahmeregelungen geschaffen haben und V2G dort bereits umgesetzt wird, blockiert Deutschland weiterhin diese zukunftsweisende Technologie. Baukostenzuschüsse: Regionale Diskriminierung mit System Besonders perfide ist das System der Baukostenzuschüsse für Batteriespeicher. In Süddeutschland können diese bis zu 14 Millionen Euro betragen, während sie in Norddeutschland nur etwa 5 Millionen Euro kosten. Diese Regelung verhindert gezielt den Speicherausbau dort, wo er aufgrund der hohen Wind- und Solarstrom-Produktion am meisten gebraucht wird. Katherina Reiches aggressive Anti-EE-Strategie Die aktuellsten und deutlichsten Belege für die bewusste politische Bremsung erneuerbarer Energien liefert Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche selbst. Ihre öffentlichen Äußerungen und angekündigten Maßnahmen zeigen eine beispiellose Offensive gegen die dezentrale Energiewende. Direkte Ankündigungen zur Bremsung Reiche macht keinen Hehl aus ihren Absichten: Diese Aussagen sind bemerkenswert in ihrer Offenheit: Eine Bundeswirtschaftsministerin kündigt öffentlich an, eine ganze Branche „nach unten zu bringen“ – und zwar ausgerechnet die Branche, die für Klimaschutz und Energieunabhängigkeit steht und dafür von zenraler Bedeutung ist. Systematische Benachteiligung als Programm Reiches Strategie umfasst mehrere Säulen: Diese Maßnahmen werden nicht als notwendige Reformen verkauft, sondern explizit als Bremse für den EE-Ausbau angekündigt. Quantifizierbare Auswirkungen: Zahlen, die sprechen Die Auswirkungen dieser Politik sind nicht nur theoretisch, sondern lassen sich konkret quantifizieren. Versteckte Subventionierung fossiler Energien Die perfide Behauptung: Solar-Eigenverbrauch würde mit etwa 3 Milliarden Euro jährlich „versteckt subventioniert“. Zur gleichen Zeit nutzen fossile Kraftwerke das Netz kostenfrei, profitieren damit also von einer Subvention. Diese Darstellung des angeblich subventionierten Solar-Eigenberbrauches ist jedoch irreführend: Der Eigenverbrauch aus der PV-Anlage auf dem eigenen Dach ENTLASTET das Netz, da der Strom nicht transportiert werden muss. Die „Subventionierung“ besteht lediglich darin, dass für nicht beanspruchte Netzleistung keine Gebühren erhoben werden. Gleichzeitig aber nutzen fossile Kraftwerke das Netz tatsächlich kostenlos – eine echte Subvention in Milliardenhöhe, die niemals als solche benannt wird. Schauen wir uns das noch einmal genauer an: Faktencheck: Solar-Eigenverbrauch als „versteckte Subvention“ Die Behauptung über eine „versteckte Subvention“ des Solar-Eigenverbrauchs ist irreführend und faktisch falsch. Eine kompakte Analyse der Faktenlage: Die 3-Milliarden-Berechnung ist methodisch fragwürdig Die Zahl von 3 Milliarden Euro stammt aus einer theoretischen Rechnung, die Solar-Eigenverbrauch als „entgangene Einnahmen“ bewertet. Diese Logik ist fehlerhaft: Eigenverbrauch nutzt das öffentliche Netz gar nicht – es können daher auch keine Netzkosten entstehen, die „subventioniert“ werden müssten. Eigenverbrauch entlastet das Netz tatsächlich Physikalische Entlastung: Jede selbst verbrauchte Kilowattstunde muss nicht durch das Stromnetz transportiert werden. Das reduziert Übertragungsverluste und Netzbelastung. Finanzielle Entlastung: Weniger Netznutzung bedeutet geringeren Ausbaubedarf und niedrigere Systemkosten. Spitzenlast-Argumentation bestätigt: Das Netz muss tatsächlich für winterliche Spitzenlast ausgelegt werden, wenn Solaranlagen nur 20-30% ihrer Leistung bringen. Dennoch entlastet jeder Eigenverbrauch das System. Fossile Energien: Echte Milliarden-Privilegien Massive staatliche Subventionen: Deutschland subventioniert fossile Energien mit über 40 Milliarden Euro jährlich – mehr als das Zehnfache der angeblichen „Solar-Subvention“. Vermiedene Netzentgelte: Konventionelle Kraftwerke erhielten bis vor kurzem Millionen-Vergütungen für „vermiedene Netzentgelte“ – eine echte Subvention. Industrielle Netzrabatte: Stromintensive Unternehmen erhalten erhebliche Netzentgelt-Rabatte, während private Haushalte die vollen Kosten tragen. Aktuelle politische Entwicklung Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche plant tatsächlich, die Einspeisevergütung für neue PV-Anlagen zu streichen. Gleichzeitig diskutiert die Bundesnetzagentur im AGNES-Verfahren neue Netzentgelte auch für Einspeiser – was die Wirtschaftlichkeit privater Solaranlagen erheblich verschlechtern würde. Betreiber privater PV-Anlagen werden also gewissermaßen auf beiden Seiten bestraft. Entfall der ohnehin schon geringen Einnahmen bei der Einspeisung, dafür aber Netzentgelte, die beim Einspeisen kassiert werden sollen. Regionale Diskriminierung mit System Die regionale Verteilung der Netzentgelte zeigt ein klares Muster der Diskriminierung: Diese Struktur ist nicht nur ungerecht, sondern kontraproduktiv: Sie bestraft ausgerechnet die Regionen, die den größten Beitrag zur Energiewende leisten. Investitionshemmung durch politische Unsicherheit Studien zeigen den direkten Zusammenhang zwischen Netzentgelten und Investitionen: Eine Erhöhung der Netzentgelte um 1 ct/kWh reduziert PV-Installationen um 5,8%. Die von Reiche angekündigten Maßnahmen würden den dezentralen EE-Ausbau nach Expertenmeinung zum Erliegen bringen. Das System der „vermiedenen Netzentgelte“: Fossile Privilegien Jahrzehntelang erhielten auch fossile Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen Vergütungen für „vermiedene Netzentgelte“ – eine 1,5 Milliarden Euro jährliche Subvention. Diese wird erst ab 2026 schrittweise abgebaut, während gleichzeitig neue Belastungen für erneuerbare Energien diskutiert werden. Das Prinzip der vermiedenen Netzentgelte war ursprünglich sinnvoll: Wer das Netz entlastet, sollte dafür entlastet werden. Dass dieses Prinzip auch für fossile KWK-Anlagen galt, zeigt die Widersprüchlichkeit der deutschen Energiepolitik. Noch widersprüchlicher ist es, dieses Prinzip bei fossilen Anlagen abzuschaffen, gleichzeitig aber erneuerbare Energien mit neuen Netzentgelten zu belasten. Die internationale Perspektive: Deutschland als Bremser Während andere EU-Länder ihre Netzentgelt-Systeme zugunsten erneuerbarer Energien reformieren, geht Deutschland den entgegengesetzten Weg. Frankreich hat bereits Ausnahmen für bidirektionales Laden geschaffen, die Niederlande fördern Energiespeicher aktiv, und Dänemark hat sein Netzentgelt-System vollständig auf die Energiewende ausgerichtet. Deutschland hingegen nutzt Netzentgelte zunehmend als Instrument zur Bremsung der Energiewende. Diese Politik steht nicht nur im Widerspruch zu den eigenen Klimazielen, sondern auch zu europäischen Vorgaben und internationalen Trends. Wer profitiert von dieser Politik? Die Frage, wer von der systematischen Benachteiligung erneuerbarer Energien profitiert, beantwortet sich fast von selbst: Die Verlierer sind die Verbraucher, das Klima und die deutsche Wirtschaft, die ihre Vorreiterrolle bei erneuerbaren Energien verspielt. Netzbetreiber machen den Reibach Eine Sache müssen wir hier nochmal unter die Lupe nehmen. Es geistert ja die Behauptung durch die Medien, dass die Politik den Betreibern der Verteilnetze eine garantierten „Mindestrendite von 8 Prozent“ zusichern will. Weil die armen Netzbetreiber ja so aberwitzige Summen für den Netzausbau aufbringen müssen. Doch das ist irreführend. Die Realität der deutschen Anreizregulierung ist nuancierter: Die tatsächlichen Regelungen: Problematische Entwicklung bei tatsächlichen Renditen: Eine aktuelle Analyse des Bundesverbands Neue Energiewirtschaft (bne) zeigt jedoch eine besorgniserregende Entwicklung: Im Jahr 2023 erzielten die 15 größten Verteilnetzbetreiber eine durchschnittliche Eigenkapitalrendite von 20,2 Prozent. Einzelne Netzbetreiber wie EWE Netz erreichten sogar 50 Prozent, Pfalzwerke Netz 37,7 Prozent und Westnetz 27 Prozent. Dies zeigt, dass das regulatorische System tatsächlich Schwächen aufweist – allerdings nicht durch eine „Mindestrendite von 8 Prozent“, sondern durch unzureichende Kontrolle der tatsächlich erzielten Gewinne. Man könnte auch sagen: Bei den Verteilnetzbetreibern brummt der Laden! Fazit: Ein System mit Methode Die Belege sind überwältigend: Netzentgelte werden in Deutschland systematisch als Instrument zur Bremsung erneuerbarer Energien eingesetzt. Dies geschieht nicht zufällig oder unbeabsichtigt, sondern mit System und politischem Kalkül. Von der historischen „Sonnensteuer“ über die aktuelle Benachteiligung von Speichern bis hin zu Katherina Reiches aggressiver Anti-EE-Strategie – das Muster ist eindeutig. Während fossile Kraftwerke das Netz kostenlos nutzen dürfen, werden erneuerbare Energien mit immer neuen Abgaben und Hürden belastet und behindert. Diese Politik ist nicht nur klimapolitisch verheerend, sondern auch wirtschaftlich schädlich. Sie verhindert Innovationen, bremst den Mittelstand und gefährdet Deutschlands Position im internationalen Wettbewerb um Zukunftstechnologien. Und sie verhindert, dass die Strompreise in Deutschland dauerhaft sinken. Genau das würden sie nämlich durch den deutlichen Ausbau erneuerbarer Energien tun. Aber die fossile Energiewirtschaft will ihre Margen be- und erhalten… Die Zeit für Kosmetik ist vorbei. Deutschland braucht eine fundamentale Reform seines Netzentgelt-Systems – eine Reform, die erneuerbare Energien fördert statt behindert, die Fairness statt Willkür schafft und die der Energiewende dient statt sie auszubremsen. Nur wenn wir diese strukturellen Probleme beim Namen nennen und angehen, kann Deutschland seine Klimaziele erreichen und seine Energieunabhängigkeit sichern. Die Netzentgelte dürfen nicht länger als politische Waffe gegen die Energiewende missbraucht werden – die Zukunft unseres Landes steht auf dem Spiel. Quellen und Belege